Impuls zum 2. Juni 2024
Von Albert Hohmann (Föhren), pax christi Trier
Sonntägliche Erinnerungen
Ich bin nach dem Krieg auf einem Bauernhof im Weserbergland aufgewachsen. Wenn es im Sommer schlechtes Wetter zur Erntezeit gab, verkündete der Pfarrer, dass die Bauern auch am Sonntag die Ernte einholen könnten. Das Bewusstsein, dass nur notwendige Arbeiten wie die Versorgung des Viehs oder die Krankenpflege sonntags erledigt werden konnten, war noch verbreitet. Das spiegelte sich auch in dem Ausdruck wieder, dass sonntags „knechtliche Arbeit“ nicht erledigt werden sollte. Schon im Buches Exodus (34,21) ist diese Gegenüberstellung bezeugt: „Sechs Tage sollst Du arbeiten, am siebten Tag sollst du ruhen, selbst zur Zeit des Pflügens und des Erntens sollst du ruhen.“
Die Ruhezeiten sind nicht unbedingt erwünscht
Schon in der hebräischen Bibel wird berichtet, dass die Sabbatruhe unterlaufen wurde. Beim Propheten Amos heißt es: „Hört dieses Wort, die ihr die Armen verfolgt und die Gebeugten im Land unterdrückt! Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei, dass wir Getreide verkaufen, und der Sabbat, dass wir den Kornspeicher öffnen können?“ Nehemia hat das Volk auf den Sabbat verpflichtet, muss aber seine Missachtung feststellen: „Damals sah ich in Juda Leute, die am Sabbat die Kelter traten. Andere brachten Getreide ein und luden es auf Esel; auch Wein, Trauben, Feigen und Lasten aller Art brachten sie am Sabbattag nach Jerusalem. Ich verwarnte sie, weil sie an diesem Tag Lebensmittel verkauften. Die Leute von Tyrus, die in Juda wohnten, brachten Fische und allerlei Waren und verkauften sie am Sabbat an die Juden, sogar in Jerusalem.“ Zu seinen Gegenmaßnahmen gehörte, dass er am Sabbat die Stadttore von Jerusalem schließen ließ.
Inzwischen hat sich auch in unserer Gesellschaft das Verhalten am Sonntag deutlich gewandelt. Leute renovieren auch sonntags ihre Häuser. Geschäfte öffnen mehrmals im Jahr ihre Türen. Der neue Investor von Kaufhof-Galeria spekuliert schon von neuen Öffnungszeiten am Sonntag. Auch die Industrieproduktion steht oft nicht still. Die kapitalistische Maschinerie der Inwertsetzung fordert derartige Opfer.
Dt 5,12-15
12 Den Sabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligst, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat. 13 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. 14 Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhen gleichwie du. 15 Denn du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der Herr, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgestrecktem Arm. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst.
Sabbat begehen, heißt:
- aufhören zu arbeiten,
- Atem holen und eine Pause in allen Geschäftigkeiten machen.
- den sogenannten Fortschritt mit seinen katastrophalen Folgen unterbrechen
- an die Befreiung aus dem Sklavenhaus Ägypten erinnern
- gegenüber allen Zwängen die gewonnene Freiheit verteidigen
- alle Menschen, die Familie, die Fremden und Sklaven miteinbeziehen
- die Herrschaftsstrukturen für einen Tag unterbrechen
- auch den wochentags beanspruchten Tieren Erholung gönnen
- die Schöpfung feiern, sich an ihrer Großartigkeit und Vielfalt zu freuen,
- Gott ehren, ihm danken und sich ihm anvertrauen.
Sabbatruhe
Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim
Ein Chassid fragte den Zloczower Maggid: ´Unser Lehrer Raschi sagt: „Was fehlte der erschaffenen Welt? Die Ruhe allein. Der Sabbat kam, es kam die Ruhe.“ Warum heißt es nicht einfach: Der Welt fehlte die Ruhe, bis der Sabbat kam? Die Worte Sabbat und Ruhe meinen doch ein und dasselbe. `
„Sabbat“ erwiderte der Rabbi, „bedeutet Heimkehr, denn an diesem Tag kehren alle Sphären an ihren wahren Ort zurück. Darauf weist Raschi hin: Ruhelos sind in der Woche die Sphären, weil sie von ihrem Ort herabgesenkt worden sind; Ruhe finden sie am Sabbat, weil sie heimkehren durften`.
Segensgebete am Sabbat
Sabbatsegen
„Lob nun, ja Lob dir o Gott, unser Gott und König des All Du.
Der sich zu schwor uns durch sein Gebot
Und schrieb uns vor des Sabbat Licht zu entzünden.“
Kidduschsegen
Kiddusch heißt Heiligung. Der Kiddusch ist ein Segenstext. Mit ihm beginnen viele Jüdinnen und Juden ihre Mahlzeiten. Er lautet: „Gesegnet seist Du, Gott, unser Gott, König des Universums, der das Brot aus der Erde hervorbringt.“ "Gesegnet seist du, Adonai, König der Welt, der die Frucht des Weinstocks geschaffen hat."
Mk 2,23 -3,6
23 An einem Sabbat ging Jesus durch die Kornfelder und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab. 24 Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat nicht erlaubt. 25 Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten, 26 wie er zur Zeit des Hohepriesters Ábjatar in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab? 27 Und Jesus sagte zu ihnen: Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. 28 Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. 3,1 Als er wieder in die Synagoge ging, war dort ein Mann mit einer verdorrten Hand. 2 Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. 3 Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt – Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen. 5 Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus und seine Hand wurde wiederhergestellt. 6 Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen
Der Sabbat ist für den Menschen da
Am Sabbat wird die Schöpfung gepriesen, der Befreiung gedacht und der Blick auf die Mitmenschen gerichtet. So ist an diesem Tag der Blick auf den Schalom, das Wohl, das Heil und den Frieden für die Menschen gerichtet. Das bekräftigt Jesus in Wort und Tat. Der Sabbat ist für den Menschen da. Der Hunger darf gestillt, der Kranke gesund werden.
Wir Christen haben aufgrund der Auferstehung Jesu den jüdischen Sabbat auf den Sonntag verlegt und sind sozusagen Erben der Sabbatruhe. Seit vielen Jahrhunderten ist der arbeitsfreie Sonntag, der Ruhetag, frohe Botschaft von Gnade und Barmherzigkeit. Er lässt erkennen, dass es noch etwas anderes gibt als das Verfolgen irgendwelcher Zwecke, als eine totalen Ökonomisierung des Lebens. Auch Mobilität und Freizeitaktivitäten machen den Tag geschäftig. Gerade erfahren wir auch, wie Kriege ungeachtet aller Heilsamkeit von Pausen, Unterbrechung und Ruhe Tag für Tag ihr Zerstörungswerk verrichten.
Der Sonntag ist aber immer noch ein relativer Ruhetag für Mensch und Schöpfung, an dem viele partizipieren. Alles, was die Menschen alltäglich umtreibt, kann unterbrochen, beiseite geschoben werden. Er kann die Zumutungen der kapitalistischen Gesellschaft aussetzen. Der Sonntag könnte zur Entschleunigung der Wachstumsagenda und der Mobilitätsdynamik beitragen. Er kann Menschen, die in der Vereinzelung leben, zusammenführen. Sie können zum Gottesdienst zusammenkommen und die frohe Botschaft ankommen lassen. Gastfreundschaft kann gepflegt werden. Menschen haben Gelegenheit, bei einer Wanderung wahrzunehmen, dass die Natur etwas anderes ist als Ressource für die Produktion. Sie können sie als Schöpfung bewundern. Sie können aufhören mit allem, was die heilsame Zeit des siebten Tages stört und deshalb womöglich zerstört. Sie können danken für das Geschenk des Lebens. Da kann dann Heil und Frieden gegenwärtig werden. Gottes Herrschaft kann aufscheinen.
Dorothe Sölle: Du sollst dich selbst unterbrechen.
Zwischen
Arbeiten und Konsumieren soll Stille sein und Freude.
Zwischen Aufräumen und Vorbereiten sollst du es in dir singen hören
Gottes altes Lied von den sechs Tagen und dem einen, der anders ist.
Zwischen Wegschaffen und Vorplanen sollst du dich erinnern
an diesen Morgen deinen und aller Anfang als die Sonne aufging ohne Zweck
und du nicht berechnet wurdest in der Zeit, die niemandem gehört außer dem Ewigen.