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pax christi

menschen machen frieden - mach mit.

Unser Name ist Programm: der Friede Christi. 

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. 

» Alle Informationen zur Deutschen Sektion von pax christi

Rede zum Ostermarsch 2015

16. Apr 2015

Dr. Jost Eschenburg, Vorstandsvorsitzender von pax christi Augsburg e.V. fordert von der Friedensbewegung Alternativen gegen die Gewalt zu entwickeln, wer immer die Kontrahenten seien. Niemals darf die Friedensbewegung mit den Wölfen heulen und gesellschaftliche Feindbilder akzeptieren.mehr...

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! 

Ein Gespenst geht um in Europa: Es heißt Islam. Doch Rettung naht: Die Gespensterjäger (Ghost Busters) der “Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes” sind schon unterwegs. Fast ein Drittel unserer Landsleute findet das gut. 

Das Gespenst ist nicht ganz so neu wie PEGIDA. Seit fast 1400 Jahren lebt Europa in Nachbarschaft zum Islam. Vielleicht hätte es die Gotik ohne den Islam nicht gegeben. Ganz sicher wäre die Renaissance, die Zeit der aufkeimenden Wissenschaften und Ent­deckungen, die Europa geformt haben, ohne den Einfluss des Islam undenkbar gewesen. Also: kein Abendland ohne den Islam! 4 Millionen von uns sind Muslime. Sie helfen, unser Gemeinwesen zu gestalten und meine Rente zu bezahlen. In jedem Gottesdienst bitten sie den “Allerbarmer” um Führung auf den rechten Weg. “Der Islam gehört zu Deutschland”, hat der vorige Bundespräsident gesagt, kurz bevor auf ihn eine Hetzjagd wegen einer Bagatelle begann. Auch die Bundeskanzlerin hat kürzlich daran erinnert. 

“Aber die sollen sich doch endlich klar vom Terrorismusdistanzieren!” Ich muss bekennen, dass ich es für absurd gehalten hätte, mich als Christ öffentlich von den Massenmorden der afrikanischen “Lord’s Resistance Army” zu distanzieren, die im Namen des Christentums allein am Heiligabend 2008 an der Nordgrenze der Republik Kongo mehr als 400 Men­schen grausam umgebracht und 20.000 Menschen vertrieben haben sollen. Die islamischen Verbände dagegen haben sich öffentlich mit Abscheu und Entsetzen zu den Terroran­schlägen von Alkaida, IS, Boko Haram usw. geäußert; auf ihren Webseiten kann man es nachlesen. Es wird aber nicht zur Kenntnis genommen. Einige der sogenannten Islamken­ner - aber nicht Muslime - behaupten sogar, IS sei der wahre Islam - eine Unverschämtheit ohne Maß. Was eine Religionsgemeinschaft ausmacht, können nur die sagen, die sich dieser Gemeinschaft zugehörig fühlen, keine Außenstehenden, und hätten sie noch so viele Bücher darüber gelesen. Wer so redet, betreibt Hetze. Wir wissen, wohin Hetze in unserem Land führen kann. Die richtige Antwort darauf ist: Besondere Freundlichkeit gegenüber den Muslimen bei uns. Schaffen wir Verbindungen und Freundschaften zu ihnen, so viel wir können, und unterstützen wir sie nach Kräften in ihren berechtigten Anliegen inner­halb unserer Gesellschaft. Ein durchdachter und gelebter religiöser Glaube ist im Übrigen nach allen Erfahrungen eine sehr gute Immunisierung gegen religiösen Fanatismus. In dem Sinne sind die muslimischen Vereine unsere effektivsten Verbündeten gegen religiös motivierte terroristische Gewalt. 

Wer sind die Hauptbetroffenen der weltweiten terroristischen Gewalttaten? Es sind wiede­rum die Muslime, denn noch schlimmer als gegen Andersgläubige wüten die Fanatiker gegen die in ihren Augen Abtrünnigen. Die furchtbare Gewaltpolitik des Westens, speziell die der letzten zwei Jahrzehnte, trägt ein großes Maß an Schuld an dem Unglück der hauptsächlich betroffenen Länder: Irak, Libyen, Syrien, Jemen. Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt. 

Ich möchte am Ende einige Gedanken von Susanne Luitlen zitieren;(1) sie ist Leiterin der Akademie für Konflikttransformation des Forums Ziviler Friedensdienst, die die Friedens­fachkräfte des ZFD ausbildet. Sie setzt sich mit dem Konzept der Gewaltfreiheit angesichts der Grausamkeiten des IS auseinander. Ist hier nicht eine ganz neue Qualität erreicht, die zu neuem Nachdenken führen muss? Frau Luitlen verneint das:  “Im Kongo sind in den 90er Jahren mehr als drei Millionen Menschen oft auf bru­talste Weise ums Leben gekommen. Es gilt als die größte humanitäre Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings gingen die dortigen Kämpfer ohne internationale PR-Strategie vor, ohne Kommunikation in unserer Richtung und ohne eine weiterführende Ide­ologie. Im Irak selbst sind ... in der Folge des Einmarsches der USA und ihrer Verbündeten zum Sturz Saddam Husseins ... [etwa anderthalb Millionen Menschen,] ca. 5 Prozent der irakischen Bevölkerung gestorben, [prozentual] halb so viele, wie in Deutschland im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sind. Weder das massenhafte gewaltsame Sterben im Kongo noch das im Irak hat in der Bundesregierung einen vergleichbaren Positionierungs­- oder Handlungsdruck erzeugt. 

Der Islamische Staat ist ... nicht brutaler und furchtbarer als andere Terrormilizen. Doch anders als andere kommuniziert er mit uns, provoziert und verwickelt uns: Er filmt und zeigt die Hinrichtung westlicher Journalisten und Helfer. Anders als andere Terror­gruppen trägt der Islamische Staat uns - so scheint es -seine Feindschaft in einer per­versen Kontaktaufnahme an [wenn es denn so ist, wie es in den Medien scheint, möchte ich hinzufügen]. Wir stellen ... [dem] nichts entgegen. Im Gegenteil. Wir leisten Schützenhilfe – kein Artikel, keine Rede ohne: barbarisch, bestialisch und Mörderbanden, deren Ver­nichtung der amerikanische Präsident als sein erklärtes Ziel verfolgt. Willig folgen wir mit dieser Begrifflichkeit sprachlich dem Islamischen Staat in seine archaische Welt von Gut und Böse, gläubig und ungläubig, rein und unrein -und fallen damit wie dieser der Spaltung anheim. Wie die Ideologen des Islamischen Staates halten auch wir uns für die Guten, die das fremde Böse mit Gewalt bekämpfen müssen. ... Wir akzeptieren die ange­tragene Feindschaft, wir nehmen den Fehdehandschuh auf. Das ist eine aus Friedenssicht verhängnisvolle Kapitulation, ein bedrückendes Scheitern. Alle großen Friedenskämpfer: Gandhi, Martin-Luther King, Mandela, Jesus haben die ihnen angetragene Feindschaft be­harrlich abgelehnt. Sie haben Taten verurteilt, nicht Menschen. Hier müsste - spätestens ­zivile Konfliktbearbeitung bzw. eine am Frieden orientierte Politik einsetzen.” Als Beispiele nennt Frau Luitlen u.a.

  • viel mehr für syrische Flüchtlinge zu tun;
  • den Waffenhandel in den Nahen Osten zu einzustellen;
  • die Türkei, die Golfstaaten und den Iran einzubinden;
  • sich um Kontakt zum Islamischen Staat selbst zu bemühen;
  • auch die syrische Regierung einzubinden, füge ich hinzu.

Vergessen wir nicht: die Menschen, die vor zwei Jahren nach Syrien gingen, um den IS zu unterstützen, handelten ganz im Sinne der deutschen Politik, für die Assad ein Monster war, gegen das jedes Mittel Recht war. 

Die Friedensbewegung darf niemals mit den Wölfen heulen und gesellschaftliche Feind­bilder akzeptieren, egal welche. Sie muss Alternativen gegen die Gewalt entwickeln, wer immer die Kontrahenten sind. Das ist ihre, das ist unsere Aufgabe.

Vielen Dank.
Jost Eschenburg, Augsburg, 4.4.2015


(1) http://www.forumzfd.de/sites/default/files/downloads/Impuls 6 Vorlage Endfassung geringe Auslösung.pdf